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Was macht ein Hörtherapeut?

Was macht ein Hörtherapeut?

Hörtherapeuten sind speziell im Bereich kognitive Hörverarbeitung und Hörstörungen ausgebildet. Es gibt eine Vielzahl an Hörstörungen, die auch ohne Beeinträchtigung des Hörvermögens, also ohne Hörverlust, das Verstehen beeinträchtigen können. Solche Hörstörungen sind Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen bei Kindern und Erwachsenen, Hyperakusis, Hyperakusis dolorosa, Misophonie, Phonophobie, Stresssyndrom und Konzentrationsstörungen, Filterfunktionsstörungen (chronischer Tinnitus) und Hörentwöhnung. Zur Behebung der Hörstörungen können Hörtherapien und Hörtraining angewandt werden. Anlaufstellen für Betroffene sind ausgebildete Hörtherapeuten.  Ich (Kristin Sieberth) bin, seit 2018, ausgebildet Hörtherapeutin und bilde mich in diesem Bereich stetig weiter. Lesen Sie in diesem Blogbeitrag mehr über die verschieden Hörstörungen und wie die verschieden Therapien ablaufen.

Der Besuch bei einem Hörtherapeuten beinhaltet ein Vorgespräch (Anamnese), Fragebögen (subjektive Erfassung der Höreinschränkung) einem Screening Test und ggf. einen ausführlichen Test der kognitiven Verarbeitungsbereiche im Bereich Hören zur objektiven Erfassung der Hörverarbeitungseinschränkung. Sollte ein Hörverlust vorliegen, wird dieser ebenfalls erfasst. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird ein individueller Therapie- bzw. Hörtrainingsplan erstellt. Eine Hörtherapie kann von 6 (z.B. Stressmanagement) bis zu 12 Wochen (wie bei Tinnitus-Therapie) dauern. Eine Hörtherapie beinhaltet einen wöchentlichen Besuch beim Hörtherapeuten mit Trainingseinheiten und einem täglichen Training von 45-90 Minuten und anschließender Entspannung (Zeitaufwand je nach Therapie) mit Therapiegeräten. Die Therapiekosten setzen sich aus Betreuungskosten und Miete der Therapiegeräte zusammen.

Hörstörungen

Hörentwöhung:

Die Wahrnehmung ist die Interpretation und Rekonstruktion der externen Welt aus den Sinneseindrücken. Eines dieser Sinne ist das Hören. Treten hier Probleme auf, wie beispielsweise ein Hörverlust, kann dieser Sinn nicht mehr zuverlässig zur Erfassung der Umwelt beitragen. Mit zunehmendem Hörverlust entstehen für das Gehirn Informationslücken. Das führt zu Fehlinterpretationen. Aber durch den Hörverlust entsteht auch Stress im Gehirn, weil mehr Kapazitäten zur Verarbeitung von Höreindrücken aufgewendet werden müssen. Das räumliche Hören, Sprachdifferenzierung und Lautstärkeerkennung sowie Wiedererkennung werden von zunehmendem Hörverlust beeinträchtigt. Als Spätfolge stellt sich eine Hörentwöhnung ein.

Symptome einer Hörentwöhnung können u.an sein:

  • eine kurze Aufmerksamkeitsspanne
  • hohe Ablenkbarkeit
  • Überempfindlichkeit bei Geräuschen
  • Gedächtnisstörungen
  • Verwechslung ähnlich klingender Wörter
  • schlechte Ortungsfähigkeiten
  • zögerndes Sprechen
  • Flache und monotone Stimme
  • Hörverzögerungen.

Mit zunehmendem Hörverlust kann diese extra Energie zur Verarbeitung von Gehörtem kaum mehr aufgewendet werden und somit verlagert sich das Gehirn mehr auf die anderen Sinne wie z.B. das Sehen. Bei fortgeschrittener Hörentwöhnung wird das Gehirn „faul“, wenn es darum geht Hörinformationen zu verarbeiten. Wir schauen dann lieber genau hin als hinzuhören. Die Symptome einer Hörentwöhnung sind den Symptomen einer Demenzerkrankung ähnlich, da in Beiden Fällen das Abnehmen der Gedächtnis- und Denkleistungen die Folge sind. Eine Hörentwöhnung ist der häufigste Grund für das Scheitern einer Hörgeräteanpassung. Wenn man einen Hörverlust hat und das schon über einen längeren Zeitraum, kann es am Anfang sehr störend sein, wenn man plötzlich mit einem Hörgerät versorgt wird und plötzlich wieder alles hört. Man muss sich erst wieder daran gewöhnen.
Besteht der Hörverlust mehrere Monate oder gar Jahre, reicht es nicht mehr den Hörverlust auszugleichen um in geräuschvollen Situationen wieder verstehen zu können. Hierzu muss auch die Hörentwöhnung im Gehirn rückgängig gemacht werden. Mit anderen Worten, das Gehirn muss seine Filterfunktionen und Interpretationen neu ausrichten bzw. kalibrieren. Der Grad der Hörentwöhnung muss ermittelt werden und mit Hilfe eines Hörtrainings und speziell abgestimmten Therapiegeräten die zentrale Hörleistung ca. 8 Wochen trainiert und verbessert werden.

Stressausgelöste AVWS (Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung) bei Erwachsenen und Kindern:

Mit AVWS bezeichnet man die Störung einer oder mehrerer Teilbereiche der kognitiven Hörverarbeitung, wodurch Konzentration und Verstehen nur eingeschränkt möglich sind, obwohl kein Hörverlust besteht. Diese können durch Entwicklungsstörungen während der Schwangerschaft oder frühkindlicher Entwicklung entstehen (permanente AVWS) oder aufgrund von Stress oder traumatischen Erlebnissen (temporäre AVWS).

Stress kann die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen und stören. Stress ist eigentlich etwas positives, denn Stress ist eine Überlebensstrategie, die es in Gefahrensituationen ermöglicht, schnell zu reagieren. Aber durch das Leben in den Industrienationen ist Kampf und Flucht keine richtige Reaktion auf Stress und so wird Stress zum Gesundheitsrisiko. In einer ersten Welle der Stressantwort werden aktivierende Hormone wie Adrenalin und Kortisol freigesetzt. Durch diesen Hormoncocktail erhöht sich zunächst der Blutzuckerspiegel, um Muskeln und Gehirn rasch Energie zu zuführen, der Herzschlag beschleunigt sich, der Blutdruck nimmt zu, der Wahrnehmungsfokus reduziert sich auf wesentliche Reize- die dem Überleben dienen. Der gesamte Organismus gerät in Alarmbereitschaft. Dieser Zustand hilft dem Menschen in Gefahrensituationen zu fliehen oder sich zu verteidigen. In beiden Fällen werden die Produkte der Stressreaktion abgebaut. Werden die Stoffwechselprodukte nicht abgebaut, weil weder Kampf noch Flucht stattgefunden haben, bleibt der Körper in Alarmbereitschaft und kann nicht in die Ruhephase wechseln. Bei Ständiger Alarmbereitschaft und ausbleiben der Ruhephasen, kommt der Körper aus dem Gleichgewicht-eine sogenannte Stressadaption tritt ein und der Stresszustand des Körpers wird chronisch. Darunter leidet nicht nur der Körper, sondern gerade die Aufmerksamkeit, denn auch das Gehirn ist aufs Überleben ausgerichtet und die Wahrnehmung eingeschränkt. Die zentrale Verarbeitung von Sinneseindrücken ist reduziert und kann nur sehr wesentliche Reize verarbeiten. Die Fähigkeiten sich zu konzentrieren, zu verarbeiten und zu lernen sind stark reduziert. Dass chronischer Stress eine Vielzahl von Krankheiten verursacht oder zumindest verschlimmert, ist unbestritten. Fazit ist, Verstehen ist eine kognitive Leistung, die durch Stress nur eingeschränkt funktioniert.
Stress heutzutage kann Überforderung, starke Veränderung der Lebensumstände (Umzug, Scheidung, Verlust,…), mediale Überreizung (PC, TV, Smartphone, Computerspiele, …) und traumatische Erlebnisse (Unfälle, Überfälle, …) sein und zählen zu den potentiellen Auslösern einer temporären Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung führen bei Kindern und Erwachsenen.

Hyperakusis, Misophonie und Phonophobie:

Mit Hyperakusis bezeichnet man die Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen die in der Hörumwelt vorkommen. Betroffene beurteilen Geräusche als zu laut, die objektiv betrachtet nicht zu laut sein können. Dies kann sich zusätzlich auch in Schmerzempfindungen äußern (Hyperakusis dolorosa). Misophonie ist die Überempfindlichkeit gegenüber nur bestimmten Geräuschen. Phonophobie ist die Angst vor bestimmten Geräuschen, die eine extreme Stressreaktion, Aggression und Wut auslösen können. Hyperakusis ist eine bestimmte Stressreaktion des limbischen Systems, mit einer erhöhten Beteiligung der Amygdala. Die Amygdala hat die Aufgabe im Gehirn, gehörtes zu bewerten- also auch eine Risikobewertung vorzunehmen. Wurde speziell durch Überforderung oder traumatische Erlebnisse in Kombination mit bestimmten oder lauten Schallereignissen eine extrem negative Bewertung vorgenommen, kann diese Bewertung von da an als Bewertungsgrundlage gelten und diese Geräusche oder generell Lautstärke als bedrohlich also als Risiko eingeschätzt werden.

Im nächsten Blogbeitrag geht es dann um die Hörstörung Tinnitus.  Wenn Sie jetzt mehr über unsere Hörverarbeitung lesen möchten, lesen Sie gerne folgende Blogbeiträge von uns:

  • 21. DEZEMBER 2020 – Studie belegt: Männer hören nicht zu
  • 7. DEZEMBER 2020 – Der Cocktailparty-Effekt
  • 14. SEPTEMBER 2020 – Geräusche im Überfluss
  • 31. AUGUST 2020 – Hörstress als Ursache für Erschöpfung oft unterschätzt!
  • 10. AUGUST 2020 – Richtig Hinhören will gelernt sein !

Quelle: https://hoertherapeut.de/